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was ist ornament?


Die vor Jahren einsetzende Ornamentrenaissance hat bisher keinen offiziellen Namen, keine Definition und keine passende Lehre. Trotzdem hat sie bewirkt, dass heute Lösungen mit und ohne Ornament qualitativ und quantitativ in Design, Architektur und Kunst wieder gleichwertig nebeneinander stehen. Offensichtlich gibt es genügend unbewusste Bezüge und Wege der Aneignung, um auch ohne Schulung und Fachliteratur eine erfolgreiche Praxis zu etablieren.
Ornament hat heute die Tendenz zum Minimalismus und ist deshalb nur schwer vergleichbar mit dem klassischen Ornament, trotzdem es alle seine Komponenten behalten hat. Minimalismus hat es immer im Ornament gegeben, nur wurde das früher kaum publiziert, Heute ist es mehr ein formales Konzept bzw. eine Strategie, die bereits in den Entwurfsprozess eingearbeitet wird und daher integrierter wirkt als früher. Ornament als Abziehbild oder Fertigprodukt gibt es kaum noch.
Nach wie vor bedient es sich der vier bekannten Ordnungssysteme, dem linearen, dem quadratischen, dem dreieckigen und der freien Anordnung und füllt sie mit leicht verständlichen Formen wie z. B. Quadraten oder Blüten. Zu dem früher damit verbundenem Erscheinungsbild geometrisch oder floral, ist das minimalistische dazugekommen. Das Ornament konnte sich so leicht wieder etablieren, weil es zwei unbewusste Quellen hat. Einerseits verlaufen alle biochemischen Vorgänge in unserem Körper nach geordneten Abläufen, d.h. unserem Wesen nach funktionieren wir ornamental und spiegeln uns im Ornament. Andererseits erweitern wir den Umgang mit den vier genannten Ordnungssystemen seit unserer Kindheit ständig: Beim Lesen und Schreiben das Lineare, beim Blick auf die Tastatur das Quadratische, beim Blick auf Münzen das Dreieckige und beim Blick in ein Behältnis mit gleichstrukturiertem Inhalt das System der freien Anordnung. Dieses Urvertrauen in etwas Abstraktes wie solche Ordnungssysteme ist eine große kulturelle Leistung, die durch geeignete Schulung und Literatur zusammen mit den Möglichkeiten der neuen Medien zu einer neuen Blüte kommt.


minimal ornament


Die Ornamentrenaissance Ende des letzten Jahrhunderts war in ihrer Tendenz eine Renaissance des Minimal Ornaments. Designer, Architekten und Künstler haben zwar in der ganzen Zeit zwischen der Abschaffung des Ornaments am Anfang des letzten Jahrhunderts und seiner Renaissance 80 Jahre später damit gearbeitet, doch als Thema war es tabu. Es ist heute müßig darüber nachzudenken, wie weit es ihnen bewusst war, dass sie etwas bekanntes, aber damals unbeachtetes neu entdeckt haben. Dem Augenschein nach hatte dieses neue minimalistische Ornament wenig mit dem vor 100 Jahren üblichen, inflationär verwendeten Ornament aller Stilrichtungen zu tun, und es war eine Leistung, es aus einem solchen Umfeld heraus zu entwickeln. Doch heute wissen wir, dass seine Wurzeln weit in die Vorzeit zurückweichen. Darüber gibt es jedoch Literatur nur versteckt zwischen Archäologie und Ethnologie. In der Hochzeit der "Musterbücher" zwischen 1860 und 1920 fehlte es gänzlich.
Es gibt auch wieder ein modernes florales und geometrisches Ornament, beide orientieren sich ebenfalls am Minimalismus. Die dem Minimalismus innewohnende Spannung zwischen Einfach/Banal und Einfach/Komplex bietet ein weites Feld für Gestaltung. Wir dürfen neugierig sein auf die künftige Entwicklung.


geometric ornament


Das geometrische Ornament spielt mit Formen wie Quadraten, Rechtecken, Dreiecken, Linien und Kreisen in Verbindung mit den Ordnungssystemen: linear, quadratisch, dreieckig und freie Anordnung. Die Ordnungssysteme selbst sind im Kern auch geometrisch und beide zusammen ergeben mit der heutigen Tendenz zum Minimalismus eine enge Verbindung. Ordnungssysteme und verwendete Formen sind dann oft nicht mehr auseinander zu halten wie bei der verkachelten Wand, wo einzelne quadratische Kacheln nach einem quadratischen Ordnungsschema versetzt werden.
Die gleiche Beobachtung gilt auch für die ins Riesenhafte gesteigerten Fassaden. Formen und Systeme entstammen einer abstrakten Welt, die schwerer in Wort zu fassen ist als die Gegenständliche. Über eine Blüte lässt sich mehr und leichter schreiben als über ein Quadrat. Und doch sind die Menschen täglich mit der abstrakten Welt vertrauter als sie ahnen. Sie lesen: das lineare Ordnungsprinzip, sie blicken auf die Tastatur: das quadratische Ordnungsprinzip, sie zählen Geld: das dreieckige oder kreisförmige Ordnungsprinzip. Das bildet eine Vertrauensbasis und erklärt die unbewusste Sicherheit im Umgang mit abstrakten Formen und Ordnungssystemen. Die Menschen ordnen die sie umgebenden Dinge im täglichen Leben ständig. Designer, Architekten und Künstler erkennen darin ein Gestaltungsprinzip und entwickeln daraus Ornamente.


floral ornament


Das florale Ornament hat im weitesten Sinne mit Pflanzen und organischen Formen zu tun. Sie erscheinen flachgedrückt wie im Herbarium oder seltener in Relief wie z. B. bei Teppichen, Kacheln oder Tapeten. In der Regel gehören botanisch die Blätter nicht zu den Blüten, die Früchte nicht zu den Ranken. An zerbrechlichen Zweig wachsen ganz verschiedene Blütenarten, Früchte und Blätter. Es geht hier nicht um naturgetreue Abbilder, sondern um Fantasie, Illusion, Schönheit und Fülle.
Es gab auch Zeiten, da setzte sich mehr Naturalismus durch, in der Spätgotik, zu Zeiten von Arts & Crafts, im Jugendstil und in Fernost. Bei näherem Hinsehen sind es aber auch hier keine Pflanzen aus dem Garten, sondern Idealbilder davon. Solche Ideal- oder Fantasiebilder brauchen mehr Können als geometrische Ornamente. Ein Blatt zu zeichnen ist schwerer als ein Quadrat. Das erklärt auch die höhere Wertschätzung in früheren Zeiten.
Das florale Ornament lebt zwischen zwei Gestaltungsgegensätzen: einerseits dem schon angesprochenen überbordenden Surrealismus und andererseits den materiellen Grenzen, die seine Umsetzung vor allem in der Vergangenheit behinderten wie Kachelgrößen, Tapeten oder Druckstockbreiten. Erst die computergesteuerten Druckmedien erlauben es heute sogar bei Tapeten dem floralen Ornament seine surreale Neigung ungehemmt zu entfalten. Deshalb überwiegt heute die freie Anordnung. Dreieckige, viereckige oder lineare Ordnungssysteme werden seltener verwendet.
Die Überfülle der im Laufe der Zeit verwendeten Formen ordnen lässt sich ordnen. Blüten von vorne, von der Seite, Früchte, Blätter und Ranken bilden die gegenständliche Gruppe - Spiralen, Ovale, Sinusschwünge und andere Symbolformen die archetypische Gruppe. Elementiert und neuinterpretiert können mit einer Art Setzbaukasten klassische persische und chinesische oder moderne Arrangements komponiert werden.


Thomas Weil 2012

geschichte des ornaments


Keine Kunstform ist so verteufelt und so geliebt worden, schwankt so zwischen erhaben und banal, zwischen überladen und minimal, zwischen Kosmos und Kitsch und zwischen elitär und populär. Die Mischung ist deshalb so bunt, weil hier Menschen aller Begabungen aus allen Kulturen und Kontinenten zu allen Zeiten mitgewirkt haben.
Angefangen hat alles mit geometrischen Zeichen, die auf Wände und Gegenstände gemalt oder geritzt wurden, und mit Schmuckketten und Steinsetzungen, die eine Ordnung erkennen lassen.
Jedes Land, jede Kultur und jede Epoche haben eine eigene Ornamentgeschichte. Manche Länder entwickelten das Ornament sogar zur einzigen Kunstform wie der Islam. In Europa gab es zeitlich aufeinander folgende, trennbare Stilfolgen mit einer zugehörigen Ornamentik, die mal mehr oder mal weniger stark in den Vordergrund trat , was seit dem 15. Jahrhundert puro o ornato genannt wurde. Die Europäer brachen Mitte des 19. Jahrhunderts plötzlich aus dieser Entwicklung aus.
Warum setzte sich nach dem Klassizismus kein neuer Stil mit einer dazugehörigen Ornamentik durch? Warum gab es plötzlich viele Stilrichtungen mit ebenso vielen Ornamentstilen? War es der Kolonialismus, die Bekanntschaft mit dem Orient, mit Fernost oder mit Afrika? Es wurde im Formenrepertoire der eigenen Vergangenheit und dem anderer Länder gewildert, so dass es um 1860 schon über 20 Ornamentstile gab (10 außereuropäische, 10 europäische). Um 1900 waren es doppelt so viel.
Unter den Intellektuellen setzte gleichzeitig eine hektische Diskussion ein über den Sinn des Ornaments, nur merkten sie nicht, wie das Ornament plötzlich auf der Abschussliste stand. Die Avantgarde-Künstler hatten das seit 50 Jahren andauernde Stilgemisch von Pompejanisch, Barock, Chinesisch und Elisabethanisch und Ähnlichem satt und setzten einen Stil ohne Ornament "die Moderne" durch, der bis ans Ende des letzten Jahrhunderts dauerte.
Dann setzte eine Renaissance des Ornaments in Design, Kunst und Architektur ein, ornamentale und ornamentlose Lösungen standen wieder qualitativ und quantitativ nebeneinander. Das Aussehen hatte von Beginn an einen minimalistischen Schwerpunkt, so dass wir heute drei Richtungen unterscheiden können: die minimalistische, die florale und die geometrische.